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Newsletter 68

01/2016

Gedanken zur Jahreslosung 2016 von Superintendent Kristóf Bálint

"Wird dieses Jahr wirklich so schlimm?" fragte der ältere Herr die Pfarrerin am Ausgang der Kirche.
"Wie kommen Sie denn darauf?" sagte die Pfarrerin, die eine Anspielung auf die Flüchtlingsfrage und die Geschehnisse am Kölner Bahnhof vermutete.
"Na diese Jahreslosung für 2016 legt das doch nahe, dass wir sehr viel Trost gebrauchen können."

„Gott spricht: Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“ (Jes 6613)

Diese kleine Gesprächssequenz macht deutlich, dass die diesjährige Jahreslosung verschiedene Assoziationen auslösen kann. Für einen bringt sie die Sorge mit sich, ob alles so trostlos wird, das wir des verstärkten Trostes bedürften, für eine andere ist es endlich mal ein Bibelwort, das die Seite G'TTes benennt, die sonst in der Geschichte mit IHM viel zu kurz kommt.

Schon grammatisch wird dies deutlich: wenn wir von G'TT reden, sprechen wir männlich. Natürlich könnten wir jetzt einen längeren Exkurs über den Unterschied von grammatischem und biologischem Geschlecht führen, aber er überdeckte nur, was theologie-, literatur- und kunstgeschichtlich längst offensichtlich und nicht wegzudiskutieren ist: G'TT ist für uns männlich, vertrauensvoll G'TT Vater angesprochen - zum Beispiel im Vaterunser (Mt 69-13). Dabei steht G'TT über jeglicher biologischen Zuordnung, wenngleich sein Bart mich in Kindheitstagen immer sehr beeindruckte.

Nun also dieser kurze Vers aus dem Buch des Propheten Jesaja, dem dritten Jesaja. Er verkündet seinem Volk Trost und Heil. Trost führt uns gedanklich schnell in unsere Kindheit zurück. Der Trost der Mutter, als wir hingefallen waren und uns danach in ihren Arm schmiegten. Der Schmerz der verebbte und der Zuspruch der Mutter, der wie Balsam auf Wunde und Seele wirkte. Jesaja lässt keine Zweifel aufkommen, dass er wirklich die Mutter meint, denn er sagt in Vers 11: „… nun dürft ihr saugen und euch satt trinken an den Brüsten des Trostes, denn nun dürft ihr reichlich trinken und euch erfreuen an dem Reichtum ihrer Mutterbrust.“

Doch wie die Zuordnung allein männlicher Attribute auf G'TT ein Kurzschluss ist (wie ließe sich G'TT für ein Geschlecht vereinnahmen, zumal männlich nicht zugleich positiv ist, wie manche*r mit Rückblick auf seinen/ihren Vater empfinden mag, ebenso wie mütterlich auch nicht automatisch gut sein muss), so wäre es die Zuordnung allein weiblicher Attribute ebenso. G'TT ist anders, ganz anders, sonst wäre er nicht G'TT. Der grammatische Artikel sagt nichts über G'TT aus.

Doch meine Gedanken verbleiben beim Trost. Bei der entsprechenden Lektüre des Eintrags im dazu befragten Wörterbuch der Gebrüder Grimm wird deutlich, dass Trost ein Wort außerordentlicher Intensität und Vielfalt ist. Ich habe bisher wenige Worte gesehen, die so viele Komposita bildeten. Hier ein kleiner Ausschnitt: getrost, Trostamt, Trostanker, trostbang, Trostbegier, trostberaubt, Trostesbalsam, Trostlied, Trosteshort, Trostessen, Trostformel, Trostgepränge, trosthaftig, Trosthoffnung, Trostkind und Trostlüge...

Wenn wir einmal in das Buch der Bücher schauen, werden wir gewahr, dass es auch vom Trost spricht und uns auf die Fährte setzt, dass Trost mehr ist als die Erinnerung an Kindheitstage, als das Pusten auf die und Streicheln der Wunde. Trost ist nicht der Augenblick der Zuwendung eines anderen allein sondern ist der Zuspruch, der zum Aufbruch ermutigt. Er setzt sozusagen ein Geschehen in Gang. "Siehe, ich habe Dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass Dir nicht grauen und entsetze dich nicht, denn der HERR, Dein G'TT, ist mit Dir in allem, was Du tun wirst.“ (Jos 19).
Trost als eine aktivierende Größe, ein Handeln bewirkendes Geschehen, mehr als der Zuspruch nach kurzzeitigem Schmerz, wiewohl auch dieser Zuspruch Kindern das Weitertollen ermöglicht und die Erfahrung, dass Sie gehalten worden sind, sie in ihrem Urvertrauen stärkt.

Trost bewirkt Dank (Ps 655b, 731, Jer 1516) und setzt in eine Beziehung zu dem, der uns getröstet und sich uns zugewendet hat, voraus bzw. in Gang. Deshalb ist die Bitte um Trost im Volk Israel wie in der Kirche an G'TT (Jer 148, Jdt 816,Röm 155, II Kor 13f, II Thess 216) gerichtet, kann sich aber auch an die Weisheit (Wsh 89, Sir 629), die Heilige[n] Schrift[en] (I Makk 129, Röm 154) und an Menschen richten (Hes 1654, Obd 7, Sir 616, II Kor 17, 77, I Thess 37,Phil 21, Phlm7), wohl wissend, dass sie von letzteren enttäuscht werden kann.

Nun also dieses Wort für 2016, dass bereits vor vier Jahren in einem sorgsamen Verfahren gewählt und nicht gelost wurde (http://jahreslosung.net/).
Grundlegend und wichtig ist, dass wir auf unseren (Lebens)Weg gesandt sind. Es ist nicht gesagt, dass uns Strapazen erspart werden, dass er frei von Hindernissen und Steigungen ist. Aber wir sind als Getröstete ausgesandt, um den Herrn dieser Welt durch unser Denken, Reden und Tun zu bezeugen.
„Wir sind bei Trost“, weil wir „getrost und unverzagt“ sind und auf G'TT vertrauen, der uns einiges zu- und vertraut.

Dies kann gleichwohl bedeuten, dass wir mal falsch liegen, dass wir auch einmal hinfallen, jedoch ebenso, dass wir sehr gute und schöne Erfahrungen machen. Vor allem aber bedeutet es, dass wir bestärkt sind, nicht auf uns selbst und unsere Kraft allein angewiesen, sondern gestärkt von der (Mutter)Liebe G'TTes, die sich nicht auf ein Geschlecht festlegen lässt, uns aber als diese bekannt, vertraut und verstehbar im Sinne von „begreifbar“ ist.

Mögen wir in dieser Gewissheit durch dieses Jahr gehen, mit G'TT und miteinander. Mögen wir kritisch die vielen Stimmen dieser Welt hinterfragen und gemeinsam nach Antworten suchen und sie finden, uns bei G'TT für Gelungenes und Halbfertiges bedanken und bei ihm klagen, wann immer es uns danach zumute ist. G'TTes Trost ist uns zugesagt.


(Aus Ehrfurcht und zur Vermeidung einer allzu alltäglichen Aussprache des G'TTes-Namens wird das o durch einen Akzent ersetzt, um beim Lesen inne zu halten)

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