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08.06.2024

Wort zum Wochenende

Vom Stützen und Tragen

Ein Kind lernt laufen. Erst rollt und robbt es durch die Wohnung. Dann krabbelt es – schon das ist eine Sensation. Bald zieht sich das Kind an Tischbeinen hoch. Und irgendwann steht es. Stolz wie Bolle. Und Überschäumend vor Glück. Ein kleiner Mensch – zum ersten Mal auf seinen Füßen. Und doch: Ohne die Unterstützung der Anderen, hätte dieser kleine Mensch nicht laufen gelernt. Denn, um laufen zu lernen benötigen wir andere. Wegbegleiter, die uns auffangen und auf Händen tragen. Die das Kind halten und Mut zusprechen: Du schaffst das! Gib nicht auf!

Denn der Herr hat seinen Engeln befohlen, dass sie dich behüten auf all deinen Wegen, dass sie dich auf Händen tragen und du deinen Fuß nicht an einen Stein stoßest.

Viel später, wenn wir alt sind, wird das Laufen wieder mühselig. Unsicher, wacklig. So wie damals, als wir laufen lernten. Vielleicht müssen wir das Laufen auch neu lernen. Mit Gehhilfe. Wir können stolz auf uns sein, wenn uns das gelingt. Und glücklich sein, wenn wir uns auf unseren Beinen bewegen und die Wohnung verlassen können. Was für ein Glück!

Irgendwann gelingt es uns vielleicht gar nicht mehr. Dann sind wir auch beim kleinsten Weg darauf angewiesen, dass jemand kommt und uns stützt. Oder den Rollstuhl für uns schiebt. Auf andere angewiesen sein, das fällt uns schwer. Dann wird offensichtlich, was unser Leben ausmacht: Niemand kommt allein durch das Leben. Wir sind immer auf andere angewiesen. Sie fangen uns auf und tragen uns auf Händen. Sie stützen uns und sprechen uns Mut zu: Du schaffst das! Gib nicht auf!

Wir brauchen andere Menschen. Und wir brauchen Gott und seine Engel.

Oft sind sie erst später zu erkennen. Als das Kind hinfiel, war einer da. Als der Boden unter meinen Füßen verschwand und ich allein nicht mehr gehen konnte, war jemand an meiner Seite, der mich auf Händen trug und mir Mut zusprach.

Auf eigenen Beinen stehen – das ist großes Glück und anstrengend zugleich. Ein leben lang. Wenn uns jedoch die Kraft ausgeht, ist jemand da. Schon als Kind und bis ins hohe Alter. Er fängt uns auf und trägt uns auf den Händen. Gott sei Dank

Viktoria Bärwinkel

Pfarrerin in und um Sondershausen

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