Newsletter 31

01/2015

Gedanken zum neuen Jahr 2015

In seinem Wort zum neuen Jahr 2015 in der „Thüringer Allgemeinen“ schreibt Superintendent Kristóf Bálint

Jahreslosung 2015
Kennen Sie noch die Losungen, die allgegenwärtig auf zumeist rotem Tuch prangten und von der Überlegenheit des Sozialismus, der UdSSR und des sozialistischen Systems kündeten? Ich habe es noch vor Augen, obzwar es schon eine Weile her ist, und weiß auch, dass ein Jäger noch etwas anderes beim Wort Losung einfällt.
In der Kirche gibt es auch Losungen. Das sind Sprüche des Alten Testaments, die schon Jahre im Voraus für jeden Tag ausgelost werden. Ihnen wird ein Text aus dem Neuen Testament zugewählt und dieser durch eine Liedzeile oder ein Gebet ergänzt. Für jeden Tag gibt es also drei Texte, die dann in einem kleinen Heft erscheinen und in 55 Sprachen weltweit zur täglichen Lektüre und Kontemplation dienen. Es ist zuweilen sehr treffsicher, was da gelost wird. Nicht jeden Tag und nicht für jeden gleich, aber denen, denen es widerfährt, ist es eine Stärkung.
Losungen gibt es aber auch für die Monate und das Jahr. Sie behaupten nicht eine Aussage der Herrschenden, die die Bevölkerung „auf Linie bringen“ wollen, sondern sie zitieren einen Vers der Bibel, den jeder Mensch denkend durchdringen und auf sein Leben hin befragen soll. Freiheit wird groß geschrieben im Glauben, auch wenn das gern anders behauptet wird.
Über diesem Jahr steht ein Vers aus dem Römerbrief: „Nehmt einander an, wie Christus uns angenommen hat zu Gottes Lob“. Er ist ungemein treffsicher und ermahnt uns. In unserer Zeit, in denen ein Spaltpilz die Gesellschaft bedroht, gibt er den Weg vor.
Liebe Christen und Nichtchristen: nehmt einander mit aller Andersartigkeit an. Achtet auf die Argumente des anderen, jeder von uns kann dazulernen und klüger werden. Niemand hat die Wahrheit allein für sich gepachtet. Schätzt einander wert und gewichtet die Meinung der anderen, dann kann aus Streit eine konstruktive Lösung wachsen. Wir leben in einer gefährlichen Zeit, weil kaum jemand mehr zuhört und nach guten Wegen sucht, sondern lieber schnell und hart urteilt. Nutzen wir dieses Jahr miteinander unter diesem Wort Gottes. Es lohnt sich und wir alle werden reicher und gewiss auch klüger werden. Die Probleme und die Menschen, die in ihnen stehen, haben es verdient.
Ein gesegnetes neues Kalenderjahr wünsche ich Ihnen.
Superintendent Kristóf Bálint

 

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Betrachtungen am Altjahresabend 2014

In seinen Betrachtungen zum Altjahresabend 2014 teilte er in seiner Andacht in den „Kyffhäuser Nachrichten“ mit
Lichtblick oder fahles Licht?

Sind die Demonstrationen in Dresden nun ein Lichtblick oder ist das Licht der Handytaschenlampen nur ein fahles Licht?

Zuerst einmal: ich bin dankbar, dass wir in einer Demokratie leben, in der jeder demonstrieren und sich artikulieren kann. Dinge, die stören, müssen benannt werden können. Vor drei Jahrzehnten wäre ein Großteil derer, die da jetzt patriotisch schweigend demonstrieren, ins Gefängnis gekommen. Insofern ist das ein wirklicher Lichtblick: Gott sei Dank.

Das Akronym Pegida steht für „Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“. Dass manche Medien die Demonstrationen am Montag (die Bezeichnung „Montagsdemonstrationen“ verbietet sich aus Respekt vor den historisch so genannten, als Menschen ihre Gesundheit für Freiheit auf das Spiel setzten) schon ab Sonnabend thematisieren und sich in Orakeln ergehen, wie viele Demonstranten es wohl diesmal werden, dient der sachlichen Auseinandersetzung nicht.
Es dient vielmehr dem physikalisch bekannten Aufschaukeln von Bewegung und Gegenbewegung. Das ist gut für die Nachrichten, aber ist es auch gut für unsere Gesellschaft? Wird dadurch irgendetwas verbessert oder versachlicht? Was ist, wenn, wie vereinzelt schon geschehen, Demonstranten der Lager aufeinander losgehen, weil Sachlichkeit fehl am Platze schien? Hier ist das Licht sehr fahl, weil, unter Inkaufnahme unkalkulierbarer Risiken, medial bewusst gelenkt statt sachlich berichtet wird.

Schauen wir doch mal sachlich auf die Argumente: in Dresden und überhaupt in Ostdeutschland bewegt sich der Anteil der Ausländer im Promillebereich, so zwischen ein und zwei Prozent der Bevölkerung. Wenn eine Sächsin mit ihrem vierjährigen Sohn in ein 99-Personen-Dorf im Thüringer Wald zu Ihrem neuen Freund zieht, sprechen wir dann von einer drohenden „Sachsen-Flut“? Kommt uns dieses Argument, bei Lichte betrachtet, nicht auch merkwürdig vor? Wieso soll es dann, im gleichen Prozentbereich auf Muslime zutreffen, zumal der Großteil der Flüchtlinge z.B. in Sondershausen ohnehin orthodoxe Christen sind und von Ihnen alles andere als eine Islamisierung zu erwarten ist?

Soziologisch ist erwiesen, dass die Angst vor Ausländern besonders dort ausgeprägt ist, wo kaum welche leben. Dieses Kriterium erfüllen wir in Ostdeutschland allemal. Also ist die Tatsache, dass wir Flüchtlinge aufnehmen, sogar gut für uns, damit wir unsere (Vor-)Urteile kritisch überprüfen können. Währenddessen wird in einem rechtsstaatlichen Verfahren geprüft, ob das Bleiberecht bei uns begründet ist.

Mit den geäußerten Verlautbarungen der Pegida-Führung, vor allem denen des selbsternannten Wortführers Lutz Bachmann, lohnt es sich auseinander zu setzen. Sie gehen, angesichts ihres überschaubaren Tiefgangs, leicht ein. Ein Beispiel? „Die armen Rentner in Deutschland sitzen ohne Strom in kalten Wohnungen und können sich noch nicht einmal ein Stück Stollen leisten, während der Staat Asylbewerbern voll ausgestattete Unterkünfte zur Verfügung stellt.“

Das Grundproblem ist erkannt und wirklich ein Skandal: die zunehmende Altersarmut in Deutschland. Das muss sich ändern, hier wird ein Scheinwerfer auf ein Problem gerichtet, das in der Tat existiert und das angegangen werden muss, sachlich, analytisch und um die Menschen und ihre Nöte bemüht – also zielorientiert.

Es ist aber infam, dieses Problem nun mit der Situation der Asylsuchenden zu vermischen und einen Zusammenhang herzustellen: „Weil die so viel bekommen, ist für unsere Senioren nichts mehr übrig.“ Das unterscheidet sich in nichts von der Logik der NPD im Wahlkampf, die ebenso kurzschlüssig und plakativ provozierte.

Wer, wie ich, eine Erstaufnahmeeinrichtung und auch ein Gefängnis schon einmal von innen betrachtet hat, wird erstaunt feststellen, dass es weder dort noch hier „vollausgestattete Unterkünfte“ gibt, es sei denn, er meint ein Bett, ein Stuhl, ein Spind und einen Anteil am gemeinsam genutzten Tisch. Es kann natürlich sein, dass Herr Bachmann genau das mit „vollausgestattet“ meint, denn er war u.a. wegen Diebstahl schon als Häftling im Gefängnis, während ich es als Seelsorger war. Hier wird, und das sollte aufmerksam wahrgenommen werden, frei von Sachzusammenhängen böse Stimmung gemacht, auf Kosten der Schwächsten. Das ist unsozial und schon gar nicht christlich.

Das Abendland ist jedoch dezidiert christlich, also sollte es bei seiner vorgeblichen Verteidigung um christliche Werte gehen: Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Bereitschaft zu teilen.
Im Matthäusevangelium heißt es „ Was ihr einem, von diesen, meinen geringsten Brüdern, getan habt, das habt ihr mir getan (25,40). Wer das Abendland verteidigen will, der nehme sein Herz in beide Hände und vertraue ganz auf Gott und gehe auf den anderen zu und gewinne ihn zum Freund, denn er ist Ebenbild Gottes genau wie wir. So verteidigen wir die christlichen Werte des Abendlandes mit den Mitteln des christlichen Abendlandes und nicht auf Kosten der Schwächsten und um ihr Leben fürchtenden Menschen. Dazu brauchen wir Vertrauen.

Vertrauen können wir nicht selbst machen, Vertrauen können wir uns nur schenken lassen, vom Kind in der Krippe. In ihr liegt der Schöpfer der Welt, Mensch geworden, schutzlos, arm und auf der Flucht… Er und seine Eltern, so schreibt es der Evangelist Lukas, wurden mehrfach abgewiesen. Wir stehen in der Gefahr, es ebenso zu tun…

Das Plädoyer kann nur lauten: bitte kämpft um das Abendland, werden wir uns seiner christlichen Wurzeln bewusst, suchen wir aus dem Geist der Liebe nach tragfähigen Antworten, jenseits von einseitigen Schuldzuweisungen, die einer Überprüfung nicht ansatzweise standhalten. Nutzen Sie die Gottesdienste und Gemeindeveranstaltungen um sich und andere zu fragen, was gehört zu unserer abendländischen Tradition und was ist uns wichtig? Wessen müssen wir uns wieder besinnen und was davon müssen wir wieder stärker mit (unserem) Leben füllen?

Noch kurz zum Islam: Muslime sind eine Anfrage an uns, denn Sie wissen, was sie glauben und wie sie Ihrem Glauben einen Ausdruck (fünf Säulen des Islam) geben. Wir Europäer, patriotisch oder nicht, haben das weithin verlernt und verwechseln Toleranz mit Ignoranz.

Wenn ein Muslim fragt: „Woran glaubst Du?“ dann will er eine Antwort und keine allgemeinen Reden, kurzschlüssige Phrasen oder schweigend hochgehaltene Plakate. Erst wenn wir ihm seine Frage beantworten können, wird er uns ernst nehmen und akzeptieren. Argumente wie das mit dem Stollen, sind keine. Da muss intellektuell schon etwas mehr geboten werden. Das ist bisher nicht geschehen, wird nicht angestrebt oder ist nicht den Demonstranten nicht möglich…

Ich sehe die Auseinandersetzung mit diesen Fragen als eine große Chance für uns. Fragen wir uns, was uns wirklich trägt und wichtig ist und gehen wir mit diesen Antworten in die Gespräche mit den Flüchtlingen und Asylbewerbern und auch in unsere Freundeskreise. Wir werden sehen, dass wir keine Angst haben müssen. Wir werden vielmehr durch den Austausch bereichert und neue Erkenntnisse gewinnen. Das ist sinnvoller als mit fahlen Handytaschenlampen, schweigend durch eine Stadt zu ziehen und dumpfen Parolen-Dreschern auf den Leim zu gehen.

Ich wünsche Ihnen Lichtblicke und gute Gedanken in diesen Heiligen (geweihten) Tagen,
Ihr Superintendent Kristóf Bálint

 

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Auf folgende Veranstaltung wird in besonderer Weise hingewiesen und herzlich dazu eingeladen:

In manchen Kirchengemeinden herrscht Traurigkeit darüber, dass „so wenige“ am Gottesdienst teilnehmen, wobei „so wenige“ manchmal fünf und manchmal dreißig Personen meint. Das ist jeweils subjektiv.
Dass die Größe nicht wirklich entscheidend für das Gelingen eines Gottesdienstes bzw. eine Veranstaltung ist, wird mit uns Dr. Matthias Rost von der Arbeitsstelle Gottesdienst bedenken. Dazu wird hiermit herzlich eingeladen: 14. Januar, 19.00 Uhr in den Carl Schröder Saal in Sondershausen. In seiner Einleitung schreibt Dr. Rost,

Kleiner Gottesdienst – wir können auch anders!
ob Gottesdienste mit kleinster Teilnehmerzahl oder Gottesdienste im anderen Format – die kleine Form ist etwas Besonderes.
Wo und wie sitzen oder stehen wir? Wie ist der Raum gestaltet? Welche Liturgie geht?
Was kann wegfallen, was kann dazukommen? Was geht auch ganz anders? Welche Musik passt?
Und wie können wir ein Lied anstimmen, auch ohne Instrumentalbegleitung? Welche Möglichkeiten gibt es, die Gemeinde am Gebet zu beteiligen?
Und wie können wir Kinder oder Konfirmanden in den kleinen Gottesdienst einbeziehen?

Diese und andere Fragen wollen wir in einem Informationsabend am 14.01.2015 um 19.00 Uhr im Carl-Schroeder-Saal in Sondershausen mit Dr. Matthias Rost besprechen. Hierzu sind alle Kirchenältesten, Lektoren und am Gottesdienst interessierte Gemeindeglieder herzlich eingeladen.
Es sollen verschiedene Formen und Gestaltungsmöglichkeiten ausprobiert und sich mit anregenden Materialien vertraut gemacht werden.

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