Sie sind hier: Andachten > Wort zum Wochenende
04.03.2023
Apokalypse?
Vorgestern ist mal wieder kurz ein Aufreger durch die Diskussionslandschaft in Deutschland geschwappt. Es ging um das „Aus“ für Gas- und Ölheizung. Man kann dazu unterschiedliche Perspektiven einnehmen. Man kann das gut finden oder kurzsichtig oder furchtbar. Man kann sich aufregen oder diese Nachricht begrüßen. Die letzte Heizung der Art soll 2055 vom Netz gehen. Planbar, noch nicht in Stein gemeißelt, in 32 Jahren passiert viel. Aber die Diskussionslage ist schon wieder apokalyptisch. Es geht schon wieder in journalistischen Beiträgen oder Diskussionen auf der Straße oder Debatten im Internet um alles. Apokalypse, das Ende der Welt. Die einen sehen schon ihr Obdach verlieren, den anderen kann es nicht schnell genug gehen, weil für sie das Ende der Welt bevorsteht. Anstrengend sind diese Diskussionen. Es geht immer um alles, immer um das Ende des eigenen Lebens oder der Welt. Das letzte Jahrzehnt, vielleicht sogar schon etwas länger, erlebe ich jede größere gesellschaftliche Diskussion als existenziell. So hart und verbissen wird darum gekämpft. Und ja, es gibt wichtige und richtungsweisend Entscheidungen. Aber es sind nicht alle Themen, die mal wieder wie eine Sau durch die Nachrichten getrieben werden und auch die sehr wichtigen Themen haben selten apokalyptisches Ausmaß. Ich habe das Gefühl, es wird zu schnell in Freund und Feind, richtig und falsch, dafür oder dagegen unterschieden. Sachgemäße Diskussion, die eben nicht sofort den anderen als Feind brandmarken finde ich immer seltener. Aufregung verkauft sich eben gut. Aber sie ist ein schlechter Ratgeber. Und ich merke diesen Effekt an mir selbst. Wie schnell es auch in meiner Diskussionskultur mittlerweile immer um alles geht. Das ist nicht gut. Es verstellt mir den Weg zu anderen Menschen. Damit ist nicht gemeint klare Grenzen zu ziehen, wenn Standpunkte das Leben einzelner oder ganzer Gruppen in Frage stellen. Und doch ist Passionszeit, als Zeit der inneren Einkehr und der Konzentration auf Jesu Leidensweg für mich ein guter Moment, um mich selbst zu prüfen. Und meinen Umgang in Auseinandersetzung. Denn nicht jeden Tag ist Apokalypse. Nicht immer geht es um alles. Manchmal sind es doch nur verschiedene Standpunkte.
Pfarrer Martin Weber