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09.09.2023
Das rechte Maß
Stellen Sie sich vor, Sie essen in einem Restaurant. Salat nehmen Sie sich am Buffet, ebenso das Hauptgericht und auch noch einen Nachtisch. Natürlich kommt am Ende das Bezahlen. Aber die Kellnerin nennt Ihnen keine Summe, sondern sagt: „Bitte zahlen Sie so viel, wie Ihnen Ihr Essen wert war?“
Das gibt’s doch nicht, oder? So ein Geschäftsmodell klingt utopisch. Und doch kann man dergleichen selbst erleben. Im Wiener Restaurant „Deewan“ funktioniert das seit 2005. Auf ihrer Homepage schreiben Sie: „Wer auch noch in einem Monat/ in einem Jahr hier essen kommen möchte, sollte dazu beitragen, dass … [dies dann auch noch] möglich ist. Dass dann auch noch die Kellnerin bezahlt, die Kartoffeln geschält, die Stromrechnung beglichen … der Boden gewischt ist.“
Selbst entscheiden, was einem das Essen wert ist: Das verlangt den Gästen einiges ab an mittel- bis langfristiges Denken. Wer auch noch in einem Monat oder in einem Jahr hier essen möchte, solle dazu beitragen, dass das auch möglich ist. Bezahlen, was recht ist. Das rechte Maß. Weder zu wenig, was den Weiterbetrieb gefährden würde, noch zu viel, was mich selber in die finanzielle Bredouille bringen würde.
Dieses faire und nachhaltige Denken ist keineswegs neu. Der Apostel Paulus wendet dies bereits an. Er legt den Christen in Korinth nahe, Geld zu sammeln für die in Not geratene Gemeinde in Jerusalem. Jeder soll geben, wie es seinem Maß entspricht, so schreib er (2. Kor 8,11). Nicht zu wenig, denn das Geld braucht die Gemeinde in Jerusalem zum Überleben, aber auch nicht zu viel, dass niemand von den Korinthern in Not gerät.
Das rechte Maß. Was ist mein Maß, etwa Gutes in der Welt, in der Kirche, in der Gesellschaft, für meine Mitmenschen zu tun? Nicht zu wenig darf es sein, wenn ich will, dass das Gute bleibt. Aber auch nicht zu viel, damit ich selber keinen Schaden nehme. Was ist das rechte Maß, das ich einsetzen kann an Zeit, an Kraft, an Geld, an Besitz?
Ein gutes Maß wünscht uns allen
Ihr Pfarrer Frank Freudenberg