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02.09.2023
Wenn ich Gott nicht sehen kann, …
dann glaube ich nicht an ihn. „Hast du Gott schon einmal gesehen? Hast du ihn angefasst?“ werden Christen oft gefragt. Die Antwort lautet natürlich: Nein. Keiner von uns hat Gott gesehen oder mit eigenen Händen berührt. Dennoch haben viele Gott in verschiedenen Situationen erlebt. Ich denke, es ist ähnlich wie mit der Luft. Keiner hat sie gesehen, aber jeder weiß, dass sie da ist und jeder merkt sehr genau, wenn sie fehlt. Viele erinnern sich auch erst dann an Gott, wenn er scheinbar weg ist. Dann fragt man: Wo ist denn Gott jetzt?
ER ist da, nur weil ich ihn aus verschiedenen Gründen gerade nicht wahrnehmen kann, ist er doch nicht völlig weg. Wie mit der Luft: Sie ist da, nur weil ich sie aus verschiedenen Gründen nicht aufnehmen kann, ist sie doch nicht völlig weg. --- Wenn ich es doch nur mit eigenen Augen sehen könnte!
Der Wunsch, Gott mit eigenen Augen zu sehen, ist schon fasst so alt wie die Menschheit. Schon Mose wollte diesen Gott sehen, dem er ’blind’ vertraute. Mose war auf dem Berg Sinai und wollte Gott mit eigenen Augen sehen. Gott gewährte ihm diese Bitte, doch er durfte Gott nur hinterher sehen. Dabei sitzt Mose ungemütlich und eingeengt in einer Felsspalte und Gott hält seine Hand darüber, so dass es auch noch dunkel wird. Mose kann nichts tun, außer die Situation aushalten und auf seinen Gott zu vertrauen. Gott ist dabei aktiv. Es geschehen Stille, heftiger Sturm und Vulkanausbruch. In all dem sieht und erlebt Mose Gott nicht. Er weiß nur, Gott muss hier irgendwo sein. Erst als es vorbei ist, erst als Mose aus der engen Spalte heraus kann, erst als es wieder hell ist, kann Mose Gott erkennen. Er hat einen Blick auf ihn erhaschen können, aber auch nur von hinten. Mose kann ihm nur hinterher sehen.
Ich denke, darin sind wir Mose sehr ähnlich. Wie oft geschieht es uns, dass wir zwischen unseren Problemen und Sorgen eingeengt sitzen und fragen: Wo ist denn Gott? Es ist dunkel und ungemütlich. Die Situation, von Gott ist nichts zu sehen, macht Angst. Und doch ist Gott im Schlimmsten da und aktiv. Es bleibt schwer zu glauben und noch schwerer zu verstehen: In vielen Situationen erahnen wir Gott erst dann, wenn gewissermaßen das Schlimmste überstanden ist. Wir sehen hinterher und erkennen vielleicht: So kann es aussehen, wenn dieser Gott aktiv ist. Dann können vielleicht auch wir auf die Frage „Hast du Gott schon mal gesehen?“ antworten: Ja, aber nur hinterher!
Superintendentin Steffi Wiegleb